und Deutschland – Vergangenheit und Zukunft

Weihnachten

Wäre er nicht geboren worden, wäre die Welt zu Grunde gegangen

Otfrid von Weissenburg

 

Es gibt so einen Tag, einen normalen Tag, an dem jeder Streit ausklingt. Es gibt so einen Tag, an dem uns alle die Freude grüßt. Der Tag, den wir alle schon aus der Wiege kennen. Der Himmel grüßt die Erde, die Erde den Himmel- jeder sendet jedem gute Wünsche. Die Bäume grüßen die Vögel, die Vögel die Bäume… Es gibt so einen Tag, einmal im Jahr; der Tag, an den wir alle beisammen sind…

(Rote Gitarren)

Das Weihnachtsfest ist für den Polen am wichtigsten von allen Festen, gleichzeitig ist es mit zahlreichen volkstümlichen Traditionen verbunden. In Polen ist die Tradition Heiligabend mit der Familie zusammen unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen, Weihnachtslieder (kolędy) zu singen und Oblaten zu teilen sowie sich gegenseitig zu bescheren, von besonderer Bedeutung. Heutzutage wird das Abendmahl Heiligabend von allen Familien praktiziert. Wigilia wird besonders feierlich begangen und beeinflusst die ganze Atmosphäre des Weihnachtsfestes.

 

 

Das Spezifische für Wigilia ist ihr Charakter des Fastens sowie durch die Tradition bestimmte Speisen und eine ernsthafte Stimmung, zu der alle Teilnehmern verpflichtet sind. Das Abendmahl wird meistens nur im engsten Kreis der Familie eingenommen. Vor dem Abendmahl wird der Weihnachtsbaum geschmückt und die Hauskrippe vorbereitet. Unter die weiße Tischdecke legt man einige Heuhalme, die an die Krippe in Bethlehem erinnern sollen. Auf dem Tisch müssen ein paar Groschen und Weizenkörner liegen, damit es nie an Geld und Brot mangeln wird.

Die Anzahl der Speisen, ihre Art und Reihenfolge hängen von der ortsgebundenen Tradition ab. Überall sind die Fastensspeisen vorbereitet, die aus Gaben der Wälder, Felder, Gärten, Teiche, Flüsse und Seen zusammengestellt sind. Das Abendmahl wird mit dem ersten aufgehenden Stern begonnen. Nach dem Vorlesen des Bibelabschnitts über die Geburt Christi, brechen alle Teilnehmer miteinander weiße Oblaten, sprechen sich gegenseitig Glückwünsche aus, verzeihen alle Unannehmlichkeiten. In manchen Familien betet man für die Verstorbenen und für das Wohl der Lebenden. Auf dem Tisch steht ein freies Gedeck für einen zusätzlichen Gast oder symbolisch für Christus, der so unter den Teilnehmern präsent ist. Gemäß der Tradition bereitet man 7, 9 oder 12 Speisen vor, deren Zutaten sehr abwechslungsreich sind. In der Vergangenheit hielt man sich an die Regel alle Speisen, die zum Abendmahl Heiligabend vorbereitet werden, zu probieren. Man glaubte, dass sie auch im nächsten Jahr nicht fehlen würden. Am häufigsten beginnt das Mahl mit einer Fisch-, Mandel- oder Roten-Rüben-Suppe, danach folgen Pilze mit Kraut, Fische (auf den polnischen Tischen findet man zumeist Karpfen), Klößchen mit Mohn und schließlich Kompott aus getrockneten Früchten. In Ostpolen isst man unbedingt auch Weihnachtsgrütze – kutia – das ist gekochter Weizen oder Gerste mit Honig, Nüssen, Mandeln und anderen getrockneten Südfrüchten. In Schlesien wird zum Abendmahl viel Süßes gegessen: süße Suppe mit vielen getrockneten Südfrüchten, Reis mit Zimt und Honig und unterschiedliches Gebäck nach schlesischer Art. Die richtigen Delikatessen sind die „Mohnchen“. Sie bestehen aus normalen Kaviarbrotscheiben, die auf einem Gefäßboden zusammen mit süßem Mohn und getrockneten Südfrüchten schichtweise liegen und mit süßer, nicht zu kalter Milch begossen werden. Außer den süßen Speisen, isst man auch viel Karpfen – gebraten oder im Aspik – sowie Roten-Rüben-Suppe mit kleinen Teigtäschchen. Am Ende des Abendmahls kommen frische Früchte und Nüsse auf den Tisch. Nach der Bescherung singt man Weihnachtslieder und spielt verschiedene Spiele. Für eines dieser Spiele benötigt man drei halbe Nussschalen. Unter die erste legt man ein Weizenkorn, unter die zweite einen Groschen und die dritte lässt man leer. Jeder Teilnehmer des Abendmahls kann drei mal eine Nussschale auswählen. Dann werden sie wieder vermischt. Der Inhalt der gewählten Nussschale prophezeit das nächste Jahr: Das Weizenkorn bedeutet Wohlstand, der Groschen Geld und wenn man die leere Schale ergreift, steht sie für Armut.

Weihnachtskrippe

Weihnachtskrippe

Um Mitternacht besucht die ganze Familie die Hirtenmesse, Pasterka.

Am ersten Weihnachtstag isst man gebratenen Haasen, der vorher mit ent-sprechenden Gewürzen eingelegt, mit Wein abgeschmeckt und mit schlesischen Klößen, Rotkohl und Preiselbeeren mit Sahne serviert wird. Die gebratene Gans wird mit einer Apfelfüllung und Preiselbeeren vorbereitet – schmeckt einfach ausgezeichnet. Der zweite Weihnachtstag ist dem Besuch der Familie oder den Freunden gewidmet. Während der Weihnachtszeit soll man auch die Verstorbenen nicht vergessen; man besucht sie auf dem Friedhof und zündet ihnen Kerzen an.

„In meinem Land ist es Brauch, dass Heiligabend, wenn der erste Abendstern am Himmel erscheint, Menschen vom selben Stamme miteinander das Brot brechen und sich mit jenem liebevoll Gefühle übermitteln.“

Cyprian Kamil Norwid

Zur Tradition gehört, dass man sich weiße Oblaten vor dem Abendmahl am Heiligabend teilt. Dieser einfache und so menschliche Brauch hat eine tiefe Symbolik. Sie zeigt sich schon im Beisammensein. Denn Zerstrittenensetzen sich doch nicht an den gleichen Tisch. Die Tischgemeinschaft verlangt gegenseitiges Verstehen, Verzeihen, Toleranz und allgemeine Güte. Beim Teilen der Oblate wünschen wir uns gegenseitig das Wohl im materiellen sowie geistigen Sinne. Die Abendmahloblate stellt für den Christen eine wichtige Verbindung zu dem Heiligen Brot dar, mit dem sich Christus identifiziert hat. Es ist ausschließlich ein polnischer Brauch.

Weißt Du, dass

… der Brauch, Weihnachtskrippe aufzustellen geht an hl. Franziskus von Assisi, zurück. Mit Einverständnis des Heiligen Vaters hat er in einer Waldhöhle eine Futterkrippe, mit lebenden Tieren, errichtet. Seitdem ist der schöne Brauch nicht nur in der katholischen Kirche, gepflegt

… schon vor 400 Jahren dekorierten die Menschen die Zimmer mit immergrünen Zweigen. Den ersten Weihnachtsbaum hat die Prinzessin Henriette aus Rheinland nach Österreich gebracht. Prinzessin von Mecklenburg hat 1840 zum ersten Mal ein Tannenbaum geschmückt. Die ersten Christbaumkugeln kamen erst Ende des XIX. Jh., dazu

… die erste Weihnachtskarte wurde im Jahre 1846 von dem Engländer John Horsley entworfen. Damals hat man davon nur 50 Stück gedruckt, man wusste nicht wie solche Karten angenommen werden. Heute verschickt man auf der ganzen Welt Millionen von Weihnachtskarten

 

 

Barbara H. Seemann – Trojnar
Übersetzung: Katarzyna Schilling-Sperber
Foto: KT
© Versus POLEN

 

 

* Wigilia (lat. Vigilare) bedeutet wachen vor der Ankunft Jesu Christi

 

 

 

Bibliografie
Franciszek Marlewski: Die Liturgie und Traditionen der heiligen Kirche
Verlag Valoire: Die Schlösser an der Loire
garant Verlag, Verena Asbeck: Wunderschöne Weihnachten