und Deutschland – Vergangenheit und Zukunft

Trubadurzy Kultband

Trubadurzy

Trubadurzy

Polens „Comedian Harmonists“ durch „Antizionismus“ gespalten.

Den Komponisten, Schlagzeuger und Sänger der seit 1965 auftretenden polnischen Kultband der Pop- und Folkmusik Trubadurzy, Marian Lichtman, fasziniert das Schicksal des bekannten Berliner Gesangssextetts Comedian Harmonists. Dieses feierte von 1929 bis 1933 mit seinen populären, ironisch-witzigen Schlagern große Erfolge in Deutschland. Diesen machte das Nazi-Regime ein jähes Ende. Da drei Sänger jüdischer Abstammung waren, konnte das Sextett ab 1934 nur noch im Ausland spielen und spaltete sich dann auf. Diese traurige Atmosphäre des Abschieds spürte auch Lichtman, als er 1974 seinen Eltern in die Emigration nach Dänemark folgte, die Polen aufgrund des staatlich verordneten „Antizionismus“ verlassen hatten.

Der Name Trubadurzy steht, fast als Vorahnung, für umherziehende Musikanten und kommt aus dem Fran-zösischen. „Les troubadours“ waren im Mittelalter lyrische, höfische Poeten der „langue d’oc“, vergleichbar mit den deutschen Minnesängern (trobar = trouver = finden). Sie traten in Theatern auf. 1964 gehörte der 17jährige Marian Lichtman zu den Gründungsmitgliedern der polnischen Trubadurzy, die ein Jahr später auf professioneller Ebene debütierten. Mit von der Partie waren der Bass-Gitarrist Sławomir Kowalewski und der Gitarrist Krzysztof Krawczyk; der bekannte Komponist und Organist Ryszard Poznakowski stieß 1967 dazu. Die Band erlang schnell große Popularität und errang bei dem Musikfestival in Opole 1966 den ersten Platz. Ihr Repertoire umfasst Pop- und Folkmusik; ihr Vorbild waren die Beatles. Die Texte sind polnisch und englisch. 1972 vertraten die Trubadurzy Polen bei der Olympiade in München, wo große Weltstars auftraten. Die Band machte zahlreichen Tourneen; sie spielte in allen Republiken der ehemaligen Sowjetunion von Moskau bis Vladivostok. In der Ukraine war ihr Hit „Kochana“ besonders beliebt, der auf einem ukrainischen Lied basiert. Obwohl es damals schwierig war, in den Westen zu reisen, traten die Trubadurzy u.a. in Belgien und der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin auf. Mit ihren Aufnahmen erzielte die Band Verkaufsrekorde; bis 1974 gewann sie vier goldene Schallplatten. Die polnischen Machthaber schadeten der Gruppe nicht, die ihren Rock mit russischer und ukrainischer Folklore mischte. Lediglich die „Pilzköpfe“ waren verpönt, und die Musiker mussten kurze Haare tragen. Der namhafte Experte für Popmusik von Radio Luxemburg, Allan Freeman, bezeichnete die Trubadurzy als Gruppe von Weltklasse und versprach ihnen eine große internationale Karriere. Die jungen Musiker wollten jedoch Polen nicht den Rücken kehren.

„März-Ereignisse“ von 1968

Im Jahr 1968 kam es auch in Polen zu studentischen Unruhen und Protesten, und die kommunistischen Machthaber reagierten darauf mit antizionistischen Parolen (sog. März-Ereignisse). Vielen Polen jüdischer Herkunft wurde die materielle Lebensgrundlage entzogen. Studenten wurden aus der Universität geworfen, andere verloren ihren Arbeitsplatz oder ihre Wohnung. Tausende Juden sahen sich gezwungen, Polen zu verlassen, darunter viele Künstler und Wissenschaftler. Lichtman schützte der Erfolg; ihn griff niemand an. Studenten und Künstlerkollegen sympathisierten mit den Juden und verurteilten den staatlicherseits angesagten, abscheulichen Antisemitismus. Zahlreiche Polen bedauerten, dass so viele ihrer Landsleute noch einmal das Land verlassen mussten, das sie liebten, und wo sie bleiben wollten.

Die Eltern, Anna und Szmul (Stanisław) Lichtman, nahmen sich die Kampagne sehr zu Herzen, die ihnen Angst machte. Die Mutter war im Warschauer Ghetto gewesen und hatte ihre Familie dort verloren; der Vater stammte aus Łódź und war im Krieg weit in die UdSSR geflohen; seine Familie wurde in Auschwitz ermordet. Verwandte hat Marian Lichtman noch in Argentinien, Israel und Kanada, wohin diese vor dem Krieg emigriert waren. Die Eltern entschlossen sich 1972, nach Kopenhagen auszuwandern. Dänemark bot Juden polnischer Abstammung Asyl an. Musikalisch trat eine gewisse Stagnation ein; der Drang nach politischen Veränderungen rückte für Viele in den Vordergrund. Eine fantastische Jugend wuchs heran; aus der damaligen Studentenschaft ging die Solidarność-Bewegung hervor. Eine wichtige Rolle dabei spielten z.B. Jacek Kuroń, Adam Michnik und Dajczgewandt. Auf Drängen seiner Eltern, die der Ansicht waren, dass angesichts der bedrückenden antisemitischen Atmosphäre unter dem kommunistischen Regime kein Platz für jüdische Künstler sei, verließ Marian Lichtman mit seiner Familie 1974 Polen. Die Trubadurzy verloren ein wichtiges Mitglied. Bei der Ausreise wurde ihm die polnische Staatsbürgerschaft entzogen; die dänische erhielt er erst sieben Jahre später. In der Zwischenzeit hatte er den Asylantenstatus. Lichtman bildete sich in Dänemark fort und spielte in verschiedenen Gruppen, darunter bei der in Dänemark lebenden schot-tischen Red Square. Mit der welt-berühmten Percussion-Musikerin, Merlin Mazur, die auch mit Miles Davis spielte, nahm er eine Platte mit dem Titel „Mosala Dosa“ auf. Der vielen Tourneen müde gründete Lichtman 1984 in Kopenhagen seinen eigenen Musik-Club. Diesen benannte er nach seiner Tochter Roksana, einer bekannten Mode-Designerin, die auch in der polnischen Fernsehserie „Europa da się lubić“ (Liebenswertes Europa) auftritt, „Cafe Roksana“.

Neubeginn im freien Polen

Trubadurzy

Trubadurzy

In den Jahren der Emigration reiste Marian Lichtman hin und wieder nach Polen; erst seit 1994 aber ist er dort wieder künstlerisch tätig und pendelt nun zwischen seiner Heimatstadt Łódź, Warschau und Kopenhagen. Seine Musikerkollegen von den Trubadurzy hatten zunächst auch ohne Lichtman weiter gespielt. Die Band zerfiel dann aber weiter; Krawczyk und Kowalewski gingen in die USA und Poznakowski nach Finnland. Es gab noch einige Auftritte in amerikanischen Clubs. Die Trubadurzy fanden sich erst im freien Polen wieder zusammen. Krzysztof Krawczyk kam jedoch nicht mehr dazu, sondern verfolgt mit großem Erfolg eine Solo-Karriere. Für ihn debutierte 1994 Piotr Kuźniak. Die Band konnte an ihren alten Erfolg anknüpfen und erhielt drei weitere goldene Schallplatten. Im Präsidentschaftswahlkampf 2005 unterstützte sie den Populisten Lepper, weshalb sie Poznakowski verließ. Ihn ersetzte Jacek Malanowski als Pianist. Der Ort für das große Jubiläumskonzert zum 40jährigen Bestehen ist das Große Theater von Łódź. Lichtman hat daneben eigene Projekte und fördert Ethno-, Hip-Hop- und Techno-Folk-Gruppen. Eine neue CD mit dem Titel „Trace in the Sand“ besteht aus eigenen Kompositionen mit Synthesizer-Musik und Gesangimprovisation (ohne erkennbare Worte), die arabisch und hebräisch beeinflusst sind (Orient scatt). Das Schicksal der Commedian Harmonists erinnert Lichtman etwas an sein eigenes, vor allem die traurige und bedrückende Atmosphäre des Abschiednehmens. Dennoch könne man die Situation in Polen nach 1968 nicht mit der in Deutschland nach 1933 vergleichen. So erhielten die Trubadurzy kein Spielverbot, und es wurde niemand umgebracht.

Comedian Harmonists

Comedian Harmonists

Den Commedian Harmonists wurde 1934 aufgrund des sog. „Rassenparagra-phen“ die Aufnahme in die Reichsmusikkammer verweigert, was Auftritte in Deutschland unmöglich machte. Das Gesangssextett trat daher zunächst im Ausland auf, spaltete sich dann aber in das Meister Sextett und in die 1935 in Wien neu gegründeten Commedian Harmonists, später Comedy Harmonists auf. Auch das Meister Sextett mit den ursprünglichen Mitgliedern Robert Biberti, Erwin Bootz und Ari Leschnikoff geriet mit dem Nazi-Regime in Konflikt und wurde im Frühjahr 1941 endgültig verboten. Gleichzeitig lösten sich auch die Comedy Harmonists auf, nachdem der aus Polen stammende Roman Cycowski von der Ermordung seines Vaters durch polnische Antisemiten erfahren hatte. Cycowski wurde daraufhin Kantor in einer jüdischen Gemeinde. Die übrigen Mitglieder, von denen der Gründer Harry Frommermann und Erich Collin auch zu den Berliner Commedian Harmonists gehört hatten, verzichten auf eine Nachbesetzung Cycowskis. Alle sechs Mitglieder der ursprünglichen Gruppe überlebten den Krieg, spielten danach aber nicht wieder zusammen.

 

 

Beatrice Repetzki
© Fotos: Trubadurzy