Breslau – Wissenschaft, Kultur und Kunst
Eine Stadt, das sind nicht nur die Gebäude und Denkmäler. Vor allem sind es die Menschen mit ihren schöpferische Anstrengungen, ihrer Freundlichkeit und der Hilfsbereitschaft bei der Realisierung Ideen anderer. Viele der Menschen, die einen großen Einfluss auf das Schicksal und die Entwicklung der Stadt hatten, bleiben für immer in unserer dankbaren Erinnerung. Man sollte ihnen große Bewunderung und Dank für ihre Taten aussprechen, ohne ihre weisen und voraus-sichtlichen Entscheidungen wäre vieles in Wroclaw nicht möglich gewesen. Im Gedächtnis soll der hervorragende Botaniker und erster Rektor der Universität und Technischen Hochschule (1945-1951), Stanislaw Kulczyński bleiben, der die Breslauer Gesel-lschaft für Wissenschaft mitbegründete.
Mit Achtung sollte man sich auch an den ersten Präsidenten nach dem Krieg, Bolesław Drobner, erinnern, der mit großer Energie und Begeisterung die Stadt aufbaute und weiter entwickelte. Unter der Regierung des Prof. Boleslaw Iwaszkiewicz, der zwar ein Mathematiker war, aber großes Verständnis für Kulturangelegenheiten und Künstler hatte, ist Bresalu zu einer Kulturmetropole aufgestiegen. In Breslau haben Janina i Włodzimierz Trzebiatowscy, bekannte Chemiker, ihre wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt. Ihnen verdanken wir das Institut für Niedertemperaturen und Strukturforschung der Polnischer Akademie der Wissenschaften. Gedenken sollte man den Kardinälen Bolesław Kominek, ein intelligenter Politiker und Initiator des Briefes der polnischen Bischöfe an die deutschen Bischöfe, der anlässlich des 1000-jährigen Bestehen Polens verfasst wurde. Er beinhaltet folgende historische Worte: „Wir verzeihen und bitten um Verzeihung„, die bis heute ein geistiges Fundament für die neue Beziehung zwischen Deutschland und Polen bilden. Mit der Breslauer Universität haben viele Nobelpreisträger ihre Arbeiten verbunden: der Professor des römischen Rechts, Theodor Mommsen (Literatur 1902); Professor Philip Lenard (Chemie 1905), später ein eifriger Anhänger Hitlers; Eduard Buchner (Chemie 1907) für seine Entdeckungen der alkoholischen Gärung ohne Hefezellen; Max Born (Quantenmechanik 1954), Gegner der atomaren Aufrüstung. Danken sollte man auch den Professoren: Wiktor Bross, Ludwik Hirszfeld (Hämatologie) und Hugo Steinhaus (Mathematik).
Die Bibliotheken hatten schon immer enormen Einfluss auf das wissenschaftliche Niveau in Breslau. Früher waren es herrliche Buchsammlungen der Aristokratie und Bischöfe, heute sind es zwei riesige wissenschaftliche Bibliotheken: die Universitätsbibliothek und das Ossolineum*. Das Ossolineum wurde 1715 nach 40-jähriger Bauzeit als Mathiasgymnasium fertig gestellt. Die von dem polnischen Gelehrten Ossoliński begründete Sammlung stammt aus dem ehemals ostpol-nischen Lemberg und hat, wie auch viele Menschen aus diesem Gebiet, in Breslau ihre Heimat gefunden. Die reiche Tradition und historische Vergangenheit hindern in keiner Weise die Gestaltung der neuen Gegenwart, die auf Toleranz und Weltanschauung aufbaut. Breslaus wissenschaftliche und kulturelle Kontakte mit Deutschland, der Tschechischen Republik, Amerika, den Niederlanden, Österreich, Italien und der Schweiz tragen dazu bei. Immerhin nimmt Bresalu eine bedeutende Rolle in der Kultur unserer Zeit ein. In der Stadt finden das in die Europäische Gemeinschaft in Genf eingeschriebene Wratislawia Cantas Festival* und die Internationale Zeichen-riennale statt. Hier arbeitet auch das Pantomimentheater Tomaszewskis, das in der ganzen Welt berühmt ist. In Breslau befinden sich viele Museen, darunter auch ganz einmalige wie das Museum der Architektur und des Postwesens. Das Panorama von Racławice zieht tausendfaches Publikum an. Das Theaterleben hat einelange und alte Tradition. Schon 1610 besuchte Breslau eine professionelle Theatertruppe aus England mit Werken Shakespeares.
Ein Theaterensemble aus Sachsen zeigte „König Lear“ und Komödien Moliers. Die Liebe zur Oper erweckten bei den Einwohnern der italienische Komponist Antonio Bioni und der Sohn des Königs Jan III., der in Oława stationiert war. Im XVIII. Jahrhundert wurde das Stadttheater ins Leben gerufen, mit festangestellten Schauspielern unter der Leitung des Wieners Franz Schuh. In den Jahren 1760-1765 arbeitete hier Gotthold Ephraim Lessing, Autor der ersten deutschen Volkskomödie „Minna von Barnhelm“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Breslau, trotz der kommunistischen Herrschaft über die Kultur, ein wichtiges Theater-zentrum Polens. Jede Premiere war ein Ereignis im Staat und im Ausland. Das blühende Theaterleben dauerte bis 1981, als wegen des Kriegszustandes eine allgemeine Stagnation in allen Lebensbereichen eintrat. Später hatten nur einige der Theater die Kraft zum Überleben. In den neunziger Jahren blühte das Theaterleben wieder auf. Die beruhigende und heilende Wirkung der Musik wusste man in Wroclaw schon im Mittelalter zu schätzen. An den aristokratischen Höfen traf man sich, um Musik zu hören. Das erste öffentliche Konzert wurde schon im Barock organisiert. Im Jahre 1720 haben Kaufleute aus Breslau das Collegium Musicum gegründet, in dem ab Ende des XVIII. Jahrhunderts einmal im Monat symphonische Konzerte veranstaltet wurden. Am Anfang des XIX. Jahrhunderts erreichte ihr Niveau den Höhepunkt unter der Leitung des Schöpfers der deutschen romantischen Oper – Carl Maria von Weber*. Ihre Konzerte gaben hier: Nicollo Paganini, Franz Liszt, Anton Rubinstein, Richard Wagner, Johannes Brahms, Eduard Grieg, Fryderyk Chopin, Henryk Wieniawski, Ignacy Paderewski und Marcelina Sembrich-Kochanska. Diese alte hervorragende Tradition wird bis zum heutigen Tage gepflegt. Wratislawa Cantas zieht weiter die weltberühmten Künstler und Jazzgruppen an. Die Philharmonie und das Kammerorchester Leopoldinum* geniesen eine bedeutende Position in der Musikwelt.
Die Entwicklung der Klöster und Sakralbauten sowie des wachsenden Reichtums der Stadt hatten einen sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung der Kunst. Hier wohnte und arbeitete Tobias Fendt, Maler aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahr., Schöpfer der „Ezechiels Vision“. Michal Willman (1630, Königsberg), schuf hier seine berühmten Bilder, die auf Techniken Rembrandts und Rubens basierten. In XIX. Jahrhundert wurde der sächsische Porträtmaler Ernst Resch berühmt. Heute ist Breslau ein wichtiges Kunst-zentrum. An der Hochschule der Bildenden Künste studierten viele ausgezeichnete Künstler. Ihre Arbeiten kann man in der Galerie der modernen Kunst im Nationalmuseum bewundern. Andere sind in den europäischen Galerien, in den Vereinigten Staaten, Japan und auch Südamerika zu sehen.
Die heutige Stadt Breslau das sind nicht nur die Denkmäler, die mit sehr viel Liebe wiederhergestellt wurden, sowie die interessante Architektur, bilden ein großes Zentrum der Wissenschaft und Intelligenz. Das vorhandene starke künstlerische Potential beeinflusst die ganze Region. Der größte Trumpf der Stadt, ihre geographische Lage, war schon in der Vergangenheit genauso wichtig wie heute, wenn sich Polen der ganzen Welt öffnet.
Barbara H. Seemann – Trojnar
Übersetzung: Katarzyna Schilling – Sperber
Fotos: KT
© Versus POLEN
* das Internationale Festival Wratislavia Cantans zählt zu den bedeutendsten Festivals der klassischen Musik in Europa. Die Festspiele wurden vor 46 Jahren ins Leben gerufen
* Ossolineum – Nationalbibliothek Breslau, gegründet im Jahr 1817 von Graf Józef Maksymilian Ossoliński
* Carl Maria Friedrich von Weber (19. 11.1786 – 05.06.1826) war ein deutscher Komponist, Dirigent und Pianist
Bibliografie
Bogdan Zdrojewski: Breslau – eine wirtschafts- und gesellschaftliche Landschaft
Doc. dr Tadeusz Łepkowski: Kleines Wörterbuch der Geschichte Polens
Bogdan Snoch: Władysław II – der Ahn der schlesischen Fürsten
Marek Karpf, Maciej Wilczek: Wrocław, eine Fotografie der Stadt