und Deutschland – Vergangenheit und Zukunft

Die Anfänge der polnischen Architektur

Die Anfänge der polnischen Architektur sind in den Leistungen der Lausitzer und später der slawischen Kultur zu suchen, die mit ihren Holzkonstruktionen und spezifischen Kompositionen ganzer Wehrsiedlungen wesentliches zur architektonischen Weltkultur beigetragen haben. Ein Beispiel dafür ist u.a. die Sumpfsiedlung in Biskupin (550 v.u.Z.), aber auch die in Rost- oder Kasten-bauweise stabilisierten Burgwälle, die mitunter durch Palisaden, bestehend aus schräg in die Erde gerammten Pfählen, zusätzlich gesichert sind, wie z.B. in Łęczyca oder Posen. Auch an Objekte und Kultstätten wie den Krakus-Hügel in Krakau sei erinnert (7.–10.Jh.), wo sicherlich Stammführer der Wiślanen beigesetzt wurden. In dem einst von diesem Stamm bewohnten Gebiet finden wir auch die ersten aus Stein errichteten Objekte. Sie stehen mit dem Christentum in Zusammenhang z.B. die Rotunde St. Felix und St. Adaukt auf dem Wawel* zu Kraków (10.Jh.), obwohl noch vor der Annahme dieses neuen Glaubens durch den ersten Herrscher Polens, Mieszko I., im Jahre 966 entstanden sind.

In den Regionen Kujawien und Großpolen finden wir Spuren ähnlicher Rotunde, wie in Gnesen (10.Jh.), die auch am Sitz des Herrschers angelegt waren, in Ostrów Lednicki (10.-11.Jh.). In der Stileinteilung der Architektur ist die sog. prärömanische Periode.

Zu einem Förderer des romanisches Stils wurde der Benediktinerorden, der sein steingemauerten Kloster wie in Tyniec (11.Jh), und dreischiffige Kirchen mit drei Apsiden errichtete. Sie sind bereits mit Steinmetzarbeiten dekoriert, die sich überwiegend auf die Portale und die Kapelle der Säulen von Kirchenschiffen konzertierten. Einmalig im Weltmaßstab sind die mit Reliefs verzierten ganzen Säulenschäfte in der Kirche der Prämonstratenserinnen in Strzelno (12.Jh).

Wawel, Zygmunt-Kapelle

Wawel,
Zygmunt-Kapelle

Außer monumentalen Bauten wurden im 11. und 12. Jahrhundert auch viele Kirchen nach einfachen Grundriss mit einem Schiff und einer Apsis oder mit quadratischen Presbyterium und manchmal auch eckigem Turm in der Eingangs-fassade, wie z.B. in Wysicice (12.-13.Jh.), oder auch mit Turm, wie in Lodz (ca. 1084), errichtet. Sehr viele dieser Objekte wurden später umgebaut, wie die Wawel–Kathedrale, von der heute lediglich Teile der Fundamente außerhalb der umrisse des jetzigen Bauwerkes sowie die für den romanischen Sakralbau charakteristische St.- Leonard-Krypta (13.Jh.) erhalten geblieben sind.

Das vollständigste und zugleich stilreine Abbild des romanischen Kirchenhaus in Polen finden wir in der Stiftskirche in Turm bei Łęczyca (12.Jh.), die nach dem letztem Krieg von J.Koszczyc -Witkiewicz restauriert wurde. An der Schwelle vom 12. zum 13.Jh. kommen in der Architektur KreuzrippenGewölbe sowie der Spitzbogen auf, die eine beliebige Stützweite des Kirchenschiffes zuließen. Verbreitet wurde dieser Stil von den Zisterzienser- und Dominikaner-Orden. Die Zisterzienser errichteten ihre Klöstern und Kirchen in Wąchock (13.Jh.), Sulejów (12.-13.Jh.), aber auch in der Region Schlesien (Śląsk), in Trzebnica (13.Jh.) und in Henryków (13.Jh.). Die Dominikaner bauten hauptsächlich aus dem damals neuen Material, nämlich aus Ziegeln, wie ihre Kirchen in Sandomierz (13.Jh.) oder in Breslau (13.Jh.). Ziegelbauten errichtete auch die Franziskanerorden, so die Kirchen in Krakau oder in Zawichost (13.Jh.). In der roten Keramik sind dekorative Details ausgeformt. Zu einer wesentlichen konstruktiven Neuerung wurde auch die Ausbildung der äußeren Strebepfeiler, die die Seitenschubkräfte der Gewölbe aufnehmen.

Marienkirche in Krakau

Marienkirche in Krakau

Dieses Konstruktionsprinzip kommt in der Gotik zur vollen Entfaltung. Das älteste in diesem Stil erhaltene Objekt ist das Presbyterium des Doms in Wrocław (13.Jh.). In der gotischen Architektur treten in Polen ähnlich wie in ganz Europa zwei Grundtype von Bauwerken auf. Beim basilikalen Typ wurde unter Verwendung neuer konstruktiver Ideen die frühere Kirchenanlage mit höherem Mittelschiff und zwei niedrigeren. Seitenschiffen beibehalten, beim dreischiffigen Halletyp dagegen befinden sich die Schiffe in gleicher Höhe. Diese beiden Anordnungen treten in gotischen Kirchen auf dem Territorium Polens in kombinierte Form auf, dennoch kann man annähernd feststellen, dass der Hallentyp im Norden und der basilikale Typ im Süden überwiegt, letzterer insbesondere in der Region Kleinpolen. Dort hat sich im Verlauf des 14.Jh. die so genannte Krakauer Gotik herauskristallisiert, die eine eigentümliche Verein-fachung der Klassischen Konzeption der Gotik darstellt. Beispiele dieses Stils finden wir vor allem in Krakau in der Marienkirche (14.Jh.), in der Fronleich-namkirche (14.Jh.) oder in der Kathedrale auf dem Wawel (1320 begonnen und später mehrfach umgebaut). Diese Kirchen sind, ähnlich wie in anderen Regionen, aus Backstein gebaut und oftmals ergänzt durch Naturstein, insbesondere in der Konstruktion- und Dekorelementen des Bauwerkes. Plastische Dekoration bereichert auch die Innenausstattung dieser Kirchen-bauten, und die meisterhaften Schnitzarbeiten von Veit Stoß im Marienaltar in Kraków (15.Jh.) bedeute den Höhepunkt dieser Epoche. In den Regionen West- und Ost-Pommern und Ermland wurden überwiegend Hallekirchen aus Backstein gebau, wie z.B. St. Johannes in Thorn (13.Jh.), Franziskanerkirche in Danzig (15.-16.Jh.), St. Jacob in Stettin (14.Jh.), Stiftskirchen in Kolberg (14.Jh.), sowie die prunkvollste von allen, die Marienkirche in Danzig (15.-16.Jh.).

Unter den Hallenkirchen im Norden wird außerdem eine Gruppe von Kirchen in der Region Warmia unterschieden, die durch offene Verbindung des Presby-teriums mit dem Rumpfbau eine imposante zusammenhängende Räumlichkeit des Innenraums erreichten. Hier werden jedoch auch Basiliken gebaut, man gestaltet sogar früher errichtete Hallenkirchen zu solchen um – Kathedrale in Kammin (13.-15.Jh.), Marienkirche in Stargard in Pommern (13.Jh.), St. Jacob-Kirche in Thorn (14.Jh.), Kirche in Pelplin (13.-15.Jh.). Beim Bau von Kirchen in der Region Großpolen wurden Erfahrungen von beidem Systemen genutzt, so wie beim Bau der Kathedrale in Gnesen (14. Jh.) und des Dom in Posen (14.-15.Jh.).

In der Zeit der Spätgotik prägte sich in der Region Masovien ein eigen-ständiger Kirchentyp aus, der mitunter auch als Weichel-Gotik bezeichnet wird. Charakteristisch sind hier die reich gezeichneten Gewölbe (Stern-, Netz- und Kristallgewölbe) sowie die mit Nischen und kleinen Spitzsäulen dekorierten Giebel, Marienkirche in Warschau (15.-16.Jh.). Allerdings entstanden in der Periode der Gotik auch Kirchen, die sich nicht in das oben genannte Schema fügten, wie z.B. die zweischiffige Kirche in Wiślica (14.Jh.) oder die Heilig-kreuzkirche in Krakau (14.Jh.) mit zentralem Grundriss und einem Mittel-pfeiler. In der Region Schlesien vervollkommnen sich die gotischen Stilformen durch Inspirationen aus Westeuropa, aber auch aus Prag, zu dem in jene Zeit bereits enge Verbindungen bestanden. In Schlesien finden wir daher sowohl die Basilika-Form in Breslau St. Maria Magdalena (13.-14.Jh.), St. Elisabeth (14.Jh.), die Pfarrkirche in Kłodzko (15.Jh.) als auch in die zwei Ebenen angelegte Stiftskirche in Breslau aus dem 13.-14.Jh. Ein Hauch von Gotik beeinflusste auch die sakralen Holzbauten.

Krakauer Tuchhallen

Krakauer Tuchhallen

Der gotische Stil kam auch in der weltlichen Architektur zur Anwendung, sowohl bei den Bürger-häusern (in Thorn) als auch bei den Rathhäusern, wie in Breslau (13.Jh.), Danzig (14.Jh.), Kammin (15.Jh.), Krakau-Rathausturm (14.Jh.), Thorn (13.Jh.), den Markthallen, z.B. den Tuchhallen in Krakau* (14.Jh.), die später in der Renaissance und im 19.Jh. umgebaut wurden oder auch bei den Speichern, z.B. in Thorn (14.Jh.). Die gotische Form mit einem Arkadenhof erhält auch das Collegium Maius der Universität in Krakau (15.Jh.). Darüber hinaus werden die Städte von Wehrmauern (Thorn, 13.-14.Jh., Danzig, 14.Jh., Krakau, 13.-15.Jh., Warschau, 15.Jh.), Türmen und anderen Wehrbauten umschlossen, von denen die Barbakane in Krakau (13.Jh.) mit ihrer originellen Struktur zu den weltweit einzigartigen Baudenkmälern zählt. Außer den Stadtbefestigungen entstehen zahlreiche Königs-, Fürsten- oder Bischofsschlösser, aber auch die Burgen des Kreuzritterordens, der in den polnischen Nordgebieten Bauwerke von besonderem Wert hinterlassen hat, wie in Marienburg (12.-13.Jh.). Ihr Stil nahm auch Einfluss auf die benachbarten wehrhaften Bischofsresidenzen, wie die in Lidzbark Warmiński oder Kwidzyń (12.Jh.), Reszel (12.-13.Jh.). Gotische Burgen entstehen auch in Schlesien, wie in Bolków (11.Jh.) oder Chojnik (12.Jh.), wo heute zumeist als malerische Ruinen zu betrachten sind. In Form von Ruinen überdauerten auch die aus dem 15. Jh. stammenden Burgen in der Region Masovien, in Czersk oder Ciechanów.

In diesem Zusammenhang ist auf die rege Aktivität des Königs Kasimir der Großen zu verweisen, der in den 37 Jahren seiner Herrschaft im südpolnischen Hügelland 53 Burgen baute und 27 Städte mit Mauern umgeben ließ. Außerdem errichteten die ihm untergebenen Bischöfe und Magnaten 14 Burgen. Heute sind dies, mit einigen Ausnahmen, wie z.B. Będzin (12.Jh.) in Oberschlesien, malerische Ruinen. Um das Ausmaß der Bestrebungen dieses Königs zu verdeutlichen, sei hinzugefügt, dass seinerzeit 65 neue Städte und ca. 4500 Dörfer entstanden.

 

 

 

Barbara H. Seemann – Trojnar
Fotos: Privatarchiv
© Versus POLEN

 

 

* Wawel – die ehemalige Residenz der polnischen Könige in Krakau. Zusammen mit der Krakauer Altstadt ist Wawel Weltkulturerbe der UNESCO

* die Krakauer Tuchhallen (Sukiennice) sind eines der bedeutendsten Beispiele der Renaissance-Architektur in Mitteleuropa

 

 

Bibliografie
Die Polnische Agentur Interpress: Ein Blatt über Polen
Janusz Kłębowski: Geschichte der polnischen Kunst
Doc.dr Tadeusz Łepkowski: Kleines Wörterbuch der Geschichte Polens