Tannenberg
Der Deutsche Orden*, auch Kreuzritter genannt, wurde im Jahre 1226 vom Herzog Konrad von Masovien nach Polen geholt. Der Herzog versprach sich vom Orden Hilfe im Kampf gegen den heidnischen Volksstamm der Pruzzen* sowie seine Bekehrung zum Christentum. Die dem christlichen Polen gegenüber feindlich gesinnten Pruzzen befanden sich im fortwährenden Krieg mit dem Königreich. Die Entscheidung, den Deutschen Orden nach Polen zu holen, erwies sich für das Land als folgenschwer, obwohl es zugleich keine Zweifel gibt, dass die Kreuzritter zur Christianisierung der Gebiete maßgeblich beigetragen haben. Der anfänglich kleine Orden, den seine Mitglieder kurz nach ihrer Ankunft im Kulmer Land gegründet haben, wuchs schnell zu einer bedeutenden militärischen und politischen Macht.
Rechte am Kulmer Land, das ein günstiges Ausgangslager im Kampf gegen die heidnischen Nachbarn war und das der Orden zunächst als Lehen erhielt, sicherten ihm kraft der Goldenen Bulle von Rimini* der Papst und der Kaiser Friedrich II. Das Dokument verlieh dem Orden das Recht, die bekehrten Gebiete unter seiner Herrschaft zu verwalten sowie eigene Ämter und fortschrittliche Wirtschaft einzuführen. Nach und nach holten die Kreuzritter in die unrechtmäßig übernommenen Gebiete deutsche Siedler, welche in der dünn bevölkerten Gegend Polens deutsche Dörfer und Städte gründeten.
Im Jahre 1308 nutzte Brandenburg Polens Schwäche aus, um Pommerellen zu besetzen. Der dem polnischen König Władysław I. Ellenlang treue Herrscher der Stadt Danzig, Kastellan Boguszy, bat schon wieder den Deutschen Orden um Hilfe. Die Kreuzritter kamen eifrig und vertrieben die Aggressoren. Für den erwiesenen Dienst verlangten sie jedoch einen hohen Preis, der den Wert des besetzten Gebietes um Längen übertraf. Władysław I. Ellenlang hatte nicht vor, den ergaunerten Preis zu zahlen, was im Ergebnis zur Aneignung des gesamten Hinterpommerns, zur Besetzung von Danzig sowie zur Ausrottung der gesamten slawischen Bevölkerung der Stadt führte. Leider konnte das geschwächte Polen zu jener Zeit einem solch starken Gegner nicht die Stirn bieten und verlor das Territorium für viele Jahre. Als ob es nicht schon genug wäre, verlegte der Orden seinen Sitz von Venedig nach Marienburg.
Im Jahre 1320 gelang es Władysław I. Ellenlang das Land zu vereinigen. Dennoch war Polen noch zu schwach, um eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Orden zu riskieren. Und der Orden stellte immer höhere Ansprüche: Er entwickelte sich auf Kosten polnischer und litauischer Gebiete weiter unter stillschweigender päpstlicher und kaiserlicher Billigung. Polen und Litauen beschlossen, gemeinsam dem Orden die Stirn zu bieten. Der Herrscher von Litauen, Großfürst Gedyminas, versprach dem Papst, im Tausch gegen Hilfe im Kampf gegen die Kreuzritter, sich zum Christentum zu bekehren. Als der Papst sein Wort nicht gehalten und keine Hilfe geleistet hatte, schloss Gedyminas ein Bündnis mit dem polnischen König Władysław I. Ellenlang. Leider waren beide Staaten nicht in der Lage, sogar mit vereinten Kräften den mächtigen Gegner zu besiegen.
Im Jahre 1333 wurde der Sohn von Władysław I. Ellenlang, Kasimir der Große, Nachfolger für den polnischen Thron. Er war ein ausgezeichneter Politiker und trug zur Stärkung Polens auf internationaler Ebene bei. Gleichzeitig führte er zahlreiche Reformen im Land durch. Kraft seines entsprechenden Beschlusses war es dem hohen Adel möglich, falls kein männlicher Nachkomme zur Verfügung stand, einen Nachfolger zu wählen. Die von Kasimir dem Großen geschaffenen Strukturen des polnischen Staates überdauerten mehr als 400 Jahre.
So wählte man zum König* von Polen die jüngste Tochter von Ludwig dem Großen – dem Neffen von Kasimir dem Großen – Hedwig von Anjou. Sie wurde im Alter von 12 Jahren in der Wawel-kathedrale vom Erzbischof von Gnesen, Bodzeta, zum König von Polen gekrönt. Hedwig war zu jung, um das Land zu regieren. Daher nahmen die Adligen aus Kleinpolen die Geschicke des Landes selbst in die Hand. Auf Grund der schwierigen politischen Lage im Lande sowie angesichts des gemeinsamen Feindes in Gestalt des Deutschen Ordens wurden Gespräche mit dem litauischen Großfürsten Jogaila, auch Władysław II. Jagiełło genannt, geführt. Im Ergebnis wurde Jagiełło im Rahmen der Union von Krewo mit Hedwig von Anjou vermählt. Im Tausch gegen Hedwigs Hand und die damit verbundene polnische Krone gab Jagiełło das Versprechen ab, das eigene Land zu christianisieren sowie alle verlorenen Gebiete, die früher zur polnischen Krone gehört hatten, zurückzuerobern.
Die Heirat von Hedwig und Jegiełło begründete die Macht der Jagiellonen*. Im Jahre 1407 wurde der Polen feindlich gesinnte Ulrich von Jungingen zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt. Gleichzeitig unternahm der Orden den Versuch, sich das im Jahre 1404 abgekaufte Dobriner Land anzueignen. Diese Vorfälle führten zum Krieg zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden.
Am 15. Juli 1410 unweit des Dorfes Tannenberg kam es zu einer der größten Schlachten mittelalterlichen Europas. Die Kreuzritter (ca. 39 Tsd.) kämpften unter der Führung des Hochmeisters Ulrich von Jungingen. Die polnischen und litauischen Truppen (ca. 45 Tsd.) wurden durch die vereinten Kräfte russischer, tschechischer und tatarischer Einheiten unterstützt. Die Schlacht endete mit einem großartigen Sieg der polnischen Seite sowie ihrer Verbündeten und einer vollständigen Zerschlagung des Heers des Deutschen Ordens. In der Schlacht fiel neben zahlreichen Rittern und Würdenträgern des Ordens auch sein Anführer, der Hochmeister Ulrich von Jungingen.
Zum Sieg der polnischen Seite trug sicherlich auch die Führung von Władysław Jagiełło bei. Bis zum Schluss lenkte er seine Truppen direkt von einem Hügel aus, was ihm einen günstigen Überblick über die Aufstellung der Kämpfenden verschaffte. Diese Art der Schlachtführung war ein Vorläufer einer neuen Kriegsführung, die später von [polnischen] Söldnertruppen weiterentwickelt wurde. Der Ausgang der Schlacht von Tannenberg veränderte die Machtverhältnisse in Mittel- und Osteuropa. Polen wurde zur führenden Macht, während der Deutsche Orden, dessen Niederlage bei Tannenberg den Beginn seines Machtniedergangs markiert, an Bedeutung verlor.
„Nun nach einem gerechten Frieden fahren sie – dachte sicherlich der König Władysław Jagiełło, als er erfuhr, dass zum polnischen Lager von der Kreuzritterseite aus zwei Herolde ritten. Sie verneigten sich vor dem polnischen König und überreichten ihm zwei nackte Schwerter mit den Worten – Hochmeister Ulrich von Jungingen ruft eure Majestät zum Kampf bis zum Tode auf. Um eure Mannhaftigkeit, an der euch offensichtlich mangelt, zu entfachen, schickt er euch diese beiden nackten Schwerter.
Jagiełło nahm die Schwerter mit Ruhe und mit den Worten an: an Schwertern mangelt es uns nicht, aber auch diese nehme ich an, als Prophezeiung eines Sieges, die mir durch eure Hände von Gott geschickt wurde.“ (Henryk Sienkiewicz, Durch Jahrhunderte – Schlacht bei Tannenberg, S.81)
Barbara H. Seemann – Trojnar
Übersetzung: Dr. Karolina Brock
Bild: Jan Matejko – Schlacht bei Tannenberg;
Nationalmuseum Warschau
* Kreuzritter: Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Marien in Jerusalem, Ritterorden, der drittgrößte Orden (neben Johannitern und Tempelrittern), der in der Phase der Kreuzzüge im XII. Jh. entstanden ist
* Pruzzen (auch Prußen genannt): baltische Stämme, die im Mittelalter die Gebiete der Ostseeküste zwischen der Weichsel und der Niederen Memel bewohnten
* Goldene Bulle von Rimini (1226): vom Kaiser Friedrich II. erlassenes Dokument, das ihn selbst zum Herrscher des christlichen Europas und dem Senior des Ordens bestimmte. Die Bulle gewährte dem Orden die Herrschaft über alle Gebiete in der Mission gegen die Pruzzen
* Hedwig von Anjou wurde im Jahre 1384 zum König von Polen gekrönt, da das polnische Recht einer Königin keine Rechte auf Thronerben einräumte
* Polen der Jagiellonen, in Jahren 1400 – 1550 der größte Staat im mittelalterlichen Europa, nicht nur unter territorialen Gesichtspunkten – beinah 900 000 km². Die Herrschaft der Jagiellonen war eine Zeit großer militärischer Erfolge des polnisch-litauischen Staates sowie kultureller und wirtschaftlicher Blüte
Bibliografie
Henryk Sienkiewicz: Durch Jahrhunderte – Schlacht bei Tannenberg
Doc. dr Tadeusz Łebkowski: Kleines Wörterbuch der Geschichte Polens
PWN: Polnischer Wissenschaftsverlag, Enzyklopädie