Das, im Stein, gefangene Licht
Man glaubt, dass das Grab des Königs A-bar-gi und der Königin Schub-ab in Ur, aus dem Jahr 2600 vor unserer Zeitrechnung, die ältesten bekannten Schmuckstücke enthält. Ihr Oberkörper war mit unzähligen Gold-, Sliber-, Lapislazuli-, Karneol-, Achat- und Kalzedonperlchen völlig bedeckt. Wie lange Rosenkränze hingen sie von einem Halsband herab, so dass sie eine Art Mantel bildeten, der bis zur Taille reichte. Man glaubt, die Tradition des Schmucktragens stammt von den zwölf edlen Steinen im Brustharnisch des Aarons, dem Bruder von Moses. Ihnen wird nachgesagt, sie brächten Glück. Wo die Steine in großen Mengen auftraten, wurden sie im alltäglichen Leben benutzt. In den Gebieten, wo die Steine nur selten vorkamen oder sogar vom Ausland gebracht werden mussten, besaßen sie nur die Reichen und die Herrscher.
Mit der Zeit sind die Letzten zu einem Entschluss gekommen, dass je mehr Edelsteine sich in ihren Schatzkammern verbergen, sie umso größere Macht haben und desto mehr Glanz ist ihnen beschieden. Also haben die Herrscher und ihre Hofleute um die Wette Edelsteine gekauft. Die Kosten dafür trugen die Untertanen. Besonders reich an Diamanten, Rubinen und Smaragden waren die Höfe der persischen Scheichs, der großen Mongolen, und der indischen Großfürsten (Maharadscha). Dem französischen Wanderer Jan Baptist Tavernier, der 1665 nach Indien kam, fehlten einfach die Worte, um den ganzen Reichtum, den er dort gesehen hat, zu beschreiben. Er brachte einige große Prachtstücke mit. In der iranischen Schatzkammer kann man das prachtvolle Werk der Juwelierkunst des vergangenen Jahrhunderts bewundern: einen riesigen Globus, in dem man die Ozeane und Seen mit Smaragden und das Festland mit Rubinen und Saphiren markiert hat. Persien wird mit Diamanten und Polen mit zehn Rubinen dargestellt. Der Erdball besteht aus 51 340 Edelsteinen.
Der Edelschmuck war auch unter den westeuropäischen Herrschern sehr beliebt. Karl V., der auf dem spanischen, deutschen und italienischen Thron saß, besaß mehr Brillantkronen als Handschuhe. Die englische Königin Elizabeth ging nur mit Mühe in den Thronsaal, denn ihr Gewand war so voll von hochwertigen Steinen, dass selbst ein kräftiger Mann Schwierigkeiten mit seinem Gewicht hätte. Einer der Vorfahren von Königin Elizabeth, Henrik der II., liebte Ringe und auf dem Thron zeigte er stolz seine Finger, von denen jeder einzelne einen Edelsteinring trug. Sehr reich war auch die französische Schatzkammer. Man sammelte dort die Schätze in einigen Jahrhunderten. Die Mehrheit von ihnen ist aber während der Revolution verschwunden. Eine große Beliebtheit genossen die schönen Steine unter den russischen Herrschern. Sie schätzte schon Iwan der Schreckliche. Der Thron von Zar Boris Godunow wurde mit 876 Diamanten geschmückt. Die Krone von Zar Michal Fiodorowicz wog fast zwei Kilogramm und wurde mit 83 hochwertigen Edelsteinen versetzt, darunter 24 Diamanten. Es soll vorkommen sein, dass der geschwächte Zar einmal unter dem Gewicht seiner Krone das Bewusstsein verlor. Für einen schönen Juwel war Katharina II. bereit jeden Preis zu zahlen. Ihr Hof war immer voll von Juwelieren. Der bekannte Jeremias Pozier bereitete für die Krönung der Zarin neue Machtinsignien vor. Besonders viel Aufmerksamkeit widmete der Künstler der Krone, die „der teuerste Gegenstand in Europa“ sein sollte. Das Wunderwerk wog fast zwei Kilogramm. Es wurde mit 4936 Edelsteinen versetzt, darunter 2858 Karat Diamanten. Pozier bekam für seine Arbeit einen königlichen Lohn – 50000 Rubel, was der Hälfte der Ausgaben für die Krönung entsprach. Heute befindet sich die Krone zusammen mit anderen Prachtstücken in der 1922 gegründeten, so genannten Diamantschatzkammer der Sowjetunion.
Seit frühesten Zeiten setzten sich Menschen größten Gefahren aus, um Edelsteine zu finden, deren Wert als Gewand-, Rüstungs-, und Geschirrschmuck sehr groß war. Der Besitz von Edelsteinen stellte sie höher in der Gesellschaftshierarchie und ermöglichte Käufe von anderen begehrten Sachen. Der Bergkristall Achat, Amethyst und viele andere schöne Edelsteine waren seit langem ein unverzichtbarer Stoff in den Händen von Handwerkern und Künstlern. Sie zogen immer die Blicke der Armen und der Könige an. Der polnische Boden ist reich an Edel- und Ziersteinen. Sie liegen vor allem in Niederschlesien. Wie an keinem anderen Ort in Polen befinden sich hier auf einer kleinen Fläche verschiedene Gesteine, die reich an vielen interessanten und seltenen Mineralien sind. Die Anfänge der Edelsteinverwendung aus dem niederschlesischen Boden reichen bis in die Jungsteinzeit (Neolithikum) 4200 bis 1700 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück. Die Gewinnung solcher Steine wie Serpentinit, Nephrit und Amphibolit wurde, neben den gewöhnlichen Steinen (Granit, Sandstein, Schiefer), auf einen möglichst hohen Gewinn von attraktiven Rohrstoffen für eine Werkzeug- und Waffenproduktion ausgerichtet. Serpentinit war unter den Niederschlesiern besonders populär und wurde zur Herstellung von Achsen, Meißeln, Hauen und Beilen verwendet. Schon im Mittelalter hat man die Sudeten gründlich durchsucht. Die aus Holland kommenden Venezianer und Wallonen suchten dort nach Edelsteinen und fanden viele hochwertige Prachtstücke. Woher sie wussten, dass sich gerade in Sudeten so ein Reichtum befindet, ist heute schwer zu erklären. Einige glauben, dass sie magische Kräfte dorthin geführt haben, deren Echo dort bis heute lebt. Es existieren Dokumente, die bestätigen, dass Bolko Świdnicko-Jaworski die Venezianer als ewige Land- und Bodenbesitzer dieses Gebietes genannt hat. Unter den Wallonen herrschte die Armseligkeitsregel. Jene, die dieser Regel widersprochen haben, wurden vom Land verbannt. Als erster bekam seinen Teil der König, dann die Kirche, dann die Armen und das Schultheißamt.
Auf diese Ordnung hat Rzepiór, der Bergherrscher, sein wachsames Auge. Schon über 2000 Jahre herrscht er in den Sudeten. Er ist ein uneheliches Kind von Hephaistos, eine Verkörperung der Naturkräfte. Er ist launisch, wandelbar und unberechenbar. Aber manchmal ist der boshafte, rothaarige und rücksichtslose Riese auch hochherzig und großzügig.
Obwohl heute schon viele Abbauräume tot sind, ist der Drang nach der Gewinnung unter den Gold-, Silber- und Edelsteinsuchern nicht nur unter den Nachfolgern der Wallonen, die Edelsteine zur Herstellung von Andenken verwenden, lebendig geblieben. Es entwickelte sich eine Sammelleidenschaft, obwohl es nicht einfach ist dem Boden seine Schätze zu entnehmen. Von allen in der Welt bekannten Edelsteinsorten kommen in Niederschlesien fast alle vor. Zu denen zählen: der Korund und seine farbigen Arten – Rubin und Saphir – der Beryll und seine farbigen Arten – Aquamarin und Smaragd – der Turmalin, der Granat, der Chrysoberyl, der Spinell, die vielfältigen Quarzgruppen, der Topas, der Zirkon, der Kordieryt, der Andalusit, der Staurolith, der Chrysolith, der Zyanid, der Epidot, der Diopsyd, der Titanit (Sphen), der Aksynit, der Izerin, der Sphalerit, der Smitsonit, der Fluorit, der Hämatit, der Eisenkies, das Eisenherz, die farbige Chalzedon- und Opalgruppe und der Türkis. In unserem Gebiet kommen auch Juwelier- und Ziersteine vor. Das sind der Nephrit – ein Glücksstein, die Feldspatgruppe – Mondstein – Amazonit und Labrador, der Granit, der hebräische Stein, der Jaspis und Lydit, Siliziumholz, Bernstein, Malachit, Lasurstein, Serpentinfels, Stein- und Braunkohle. Zur artenreichen Gruppe der Ziersteine gehören: Granit, Diabas, Gabbro, farbige Granitoiden, farbige Marmore und Kalzit, Gips und Alabaster.
Den Edelsteinen wurden außer ihrem Reichtum und ihren magischen Kräften auch verschiedene Heileigenschaften zugeschrieben. Man meinte, aus den Edelsteinen ein Lebenselixier zubereiten zu können. Als Isabel von Bayern merkte, dass sie älter wird, wollte sie etwas dagegen tun und benutzte 1420 Ostperlenpulver gemischt mit Smaragden und Alexandriarubinen und Hyazinthen. Diese Mischung sollte den Alterungsprozess und die Zeit stoppen. Solches Elixier kaufte man „für die Gesundheit der Königin“, ließ der Hof verlauten. Der Stein schützte den Besitzer angeblich vor jeder Überraschung. Er gab immer anhaltendes Sicherheitsgefühl, ermöglichte sogar Fragen nach der Art einer Erkrankung zu vermeiden. Die Steine schützen sowohl vor den physischen Krankheiten, als auch vor der „List des Feindes“, sie „stärken das Herz“ und „erschaffen die Liebe zwischen Mann und Frau“. Sie ermöglichen „alle Gefahren zu besiegen“, und verjagen gleichzeitig das Gebrechen und die Krankheiten.
Bogusława Ciesielska
Fotos: K.T.
© Versus POLEN
Bibliografie
Tadeusz Kurlus: Edelsteine